Rainer Maria Rilke
Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke
Mit Musik von Johann Sebastian Bach

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Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke


: nichts
von


"...Die Sonne ist schwer, wie bei uns tief im Sommer..."
Wachskreide, Blattgold.
Illustration, Sebastian Christoph Jacob


"...Aber der Himmel ist fort..."
Wachskreide, Blattgold.
Illustration, Sebastian Christoph Jacob

Der junge Rainer Maria Rilke beschreibt in seinem Gedicht-Epos einen zerrissenen Jüngling, der als Fahnenträger in den Krieg ziehen muss, weil er die Erwartungen, welche ihm als werdender Mann entgegengebracht werden, erfüllen zu müssen glaubt. Die ihm eingegebene Vorstellung von äußerer Stärke verstellt ihm den Blick zu seiner wahren Identität und Kraft. In dieser Verblendung gerät er, zusammen mit unter demselben Zwang heranwachsenden und bereits herangewachsenen Männern aller europäischen Länder in den Sog, seine von ihm empfundene Minderwertigkeit durch falsche Anerkennung dieser, sich in ähnlicher Not befindender, zu verschleiern. Wie im Wahn lässt er sich immer tiefer in die Überzeugung hinabziehen, dass er durch Kontrolle über andere seine Sehnsucht nach Glück stillen könnte. So wendet er seinen Blick immer weiter von sich weg. Das Bild seiner verzweifelt weinenden Mutter nach seinem Märtyrer-Tod lässt erahnen, wie weit das in der abendländischen sowie morgenländischen Kultur so verbreitete Männlichkeitsbild, welches aus dem Zwang der Herrschaft über andere erwächst, die Menschen ins Unglück treibt. Dieses Bild steht in unmittelbarem Gegensatz zu dem Schatz des Glückes, der durch Einsicht und Herrschaft über sich selbst zu finden ist.

Roelant Savery (Courtrai 1576 - 1639 Utrecht), Türkenschlacht, Staatliche Gemäldegalerie Berlin

Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke ist eine der umstrittensten Dichtungen des 20. Jahrhunderts. Im ersten sowie im zweiten Weltkrieg wurde dieses Werk, das Rilke in einer einzigen Nacht dichtete, als Marschgepäck für die in den Krieg ziehenden Soldaten missbraucht. Es sollte als Propaganda dienen und eine Identifikation mit dem Fahnenträger herbeiführen, der für das Vaterland sein Leben opfert. Die viel näher liegende Identifikation mit seiner eigentlichen Suche nach klarem spirituellem Glück wurde in dieser Absicht übersehen. Gefallene Fahne In der Poesie, in der die Beschreibung der Sehnsucht nach Liebe des Cornets feinfühlig zum Ausdruck kommt, liegt der wirkliche Grund, aus welchem diese Dichtung für die Menschen, die in den Krieg zogen, unentbehrlich wurde. Dieser entscheidende Aspekt wurde in vielen das Werk kritisierenden Interpretationen oft verkannt. Es ist gut vorstellbar, dass verlorenes Einfühlungsvermögen, vermutlich als Folge eines vererbten eigenen, ähnlichen, unverarbeiteten Traumas wie dem des Cornets, negative Auslegungen dieser wertvollen Literatur möglich machen konnte. Dadurch wurde verdunkelt, dass dieser kleine Diamant der deutschen Literatur eine große und deutliche Warnung vor dem Faschismus und Krieg ist. In diesem lyrischen Prosagedicht wird vor allem deutlich, dass dieser immer dort einen Nährboden findet, wo Menschen aus Angst und Flucht vor ihrer Geschichte und vor sich selbst für einen vermeintlich einfacheren Weg begeistert werden können und somit andere für ihre mangelnde Einsicht und das daraus erfolgende Leid verantwortlich zu machen suchen.

Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke ist ein Mahnwerk. Es zeigt, dass nur der Mut zur Ruhe, der den Blick nach innen öffnet, die Suche nach sich selbst, die zur Vergebung bereit ist, und das Teilen des Leids, den Menschen von seinem Schmerz befreien kann. Dieses Werk ist ein Plädoyer für Frieden und tiefes Glück.

"...der Cornet war das unvermutete Geschenk einer einzigen Herbstnacht, in einem Zuge hingeschrieben bei zwei im Nachtwind wehenden Kerzen; das Hinziehn der Wolken über den Mond hat ihn verursacht..."
Rainer Maria Rilke

Das Erscheinungsdatum des Hörbuchs wird demnächst bekannt gegeben.

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